Die Diagnose "Medikamentenallergie" wird bei Kindern und Jugendlichen noch immer zu häufig gestellt!

Bei fast jeder zwanzigsten Vorstellung eines Kindes in deutschen Notfallambulanzen geben die Eltern im Aufnahmegespräch an, dass ihr Sprössling an einer Medikamentenallergie leidet. Ist dann eine medikamentöse Behandlung erforderlich, führt dies in manchen Fällen zu Schwierigkeiten. „Nicht selten müssen in solchen Fällen weniger gängige, potenziell nebenwirkungsträchtigere Alternativpräparate eingesetzt werden“, berichtet Dr. Lars Lange, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA). Eine Behandlung mit dem vermuteten Arzneimittelallergen wäre ohne vorherige Allergiediagnostik für die kleinen Patienten einfach zu unsicher, so Lange.

Gleichzeitig weisen aktuelle Studien aus ganz Europa übereinstimmend darauf hin, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Kinder, bei denen ein Verdacht auf eine Medikamentenallergie besteht, tatsächlich allergisch reagiert. Gut erforscht ist dies insbesondere im Falle der Penicilline und verwandter Antibiotika, die bei Infektionen unterschiedlicher Art gerade bei Kindern und Jugendlichen häufig eingesetzt werden. „Es entspricht auch unserer klinischen Erfahrung, dass bei maximal 10% der untersuchten Kinder tatsächlich eine Allergie nachgewiesen werden kann“, bemerkt Privatdozent Dr. Hagen Ott, Sprecher der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Arzneimittelallergie der GPA.

Um die Diagnose Medikamentenallergie zu stellen oder eine solche sicher auszuschließen, sind neben allergologischen Hauttests und Blutuntersuchungen auch Provokationstestungen mit dem angeschuldigten Arzneimittel erforderlich. Hierbei wird der vermutete Auslöser unter ärztlicher Aufsicht in aufsteigender Dosis und in definierten Abständen verabreicht. Kommt es zu einer Reaktion, wird die Testung abgebrochen, der Patient im Bedarfsfall sofort behandelt und bis zum Abklingen der Beschwerden überwacht. Tritt keine Reaktion auf, kann der untersuchte Patient das Arzneimittel zukünftig wieder einnehmen und muss nicht auf eine möglicherweise ungünstigere Alternative ausweichen.

Alle genannten Untersuchungsmethoden sind anspruchsvoll und sollten gemäß der etablierten diagnostischen Standards durchgeführt werden. Ansonsten können zuverlässige Testergebnisse nicht immer erzielt werden. Glücklicherweise ist es einer interdisziplinären Expertengruppe kürzlich gelungen, für den deutschsprachigen Raum erstmalig einheitliche Empfehlungen zur Durchführung und Auswertung allergologischer Tests bei Medikamentenallergie zu formulieren [1]. Mit Hilfe dieser AWMF-Leitlinie können zukünftig auch bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf eine Medikamentenallergie standardisierte, sichere und aussagekräftige Untersuchungen zur definitiven Abklärung angeboten werden.

Quellenangabe
1) Brockow K et al. Guideline for the diagnosis of drug hypersensitivity reactions: S2K-Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) and the German Dermatological Society (DDG) in collaboration with the Association of German Allergologists (AeDA), the German Society for Pediatric Allergology and Environmental Medicine (GPA), the German Contact Dermatitis Research Group (DKG), the Swiss Society for Allergy and Immunology (SGAI), the Austrian Society for Allergology and Immunology (ÖGAI), the German Academy of Allergology and Environmental Medicine (DAAU), the German Center for Documentation of Severe Skin Reactions and the German Federal Institute for Drugs and Medical Products (BfArM). Allergo J Int. 2015;24(3):94-105

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