Eltern können Ihre Kinder selbst vor Allergien schützen

Hannover, 8. September 2010 | Die Anzahl allergiekranker Kinder hat in den letzten Jahrzehnten Besorgnis erregend zugenommen. Über 40 Prozent der Kinder im Alter zwischen 3 und 17 Jahren sind bereits allergisch sensibilisiert, und jedes vierte Kind erkrankt an Heuschnupfen, allergischem Asthma bronchiale oder Neurodermitis.1 Die zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Allergien spielen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin (Pädiater), die sich auf die Behandlung von Allergien spezialisiert haben. Kinderallergologen können verhindern, dass aus Risikokindern allergiekranke Kinder und aus diesen wiederum allergiekranke Erwachsene werden. Dadurch kann die mit dem Lebensalter steigende Allergierate in Deutschland langfristig sinken, sagte Professor Dr. Albrecht Bufe aus Bochum, Erster Vorsitzende der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e. V. (GPA), auf dem 5. Gemeinsamen Deutschen Allergie-Kongress vom 8. bis 11. September 2010 in Hannover.

Innerhalb der GPA befasst sich die wissenschaftliche Arbeitsgruppe (WAG) Prävention mit Maßnahmen zur primären und sekundären Allergieprävention. Empfehlungen zur Primärprävention verringern das Risiko, dass Kinder an Allergien erkranken. Die Maßnahmen werden daher zu einem Zeitpunkt ergriffen, an dem noch keine Zeichen für eine Erkrankung aufgetreten sind. Sie sind vor allem wichtig für Kinder mit einem erhöhten Allergierisiko. Das sind Kinder, bei denen ein Elternteil oder ein Geschwisterkind bereits allergiekrank sind. Die Eltern der Risikokinder können die Chancen ihrer Kinder, allergiefrei zu bleiben, ganz erheblich verbessern, wenn sie Empfehlungen zur Allergieprävention beachten, sagte der GPA-Vorsitzende und Kinderallergologe Bufe auf dem Kongress in Hannover. Eine wichtige Rolle spielt die Ernährung von Neugeborenen. Die aktuelle Leitlinie zur Allergieprävention2 empfiehlt:

  •  Neugeborene volle vier Monate stillen

  • Alternativ mit hydrolysierter Säuglingsnahrung füttern

  • Einführung von Beikost mit Beginn des 5. Lebensmonats

  • Keine Haltung von Katzen in Haushalten mit allergiekranken Familienmitgliedern

  • Kein Rauchen während der Schwangerschaft oder danach

  • Impfungen entsprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO)

Laut Professor Dr. Matthias Kopp aus Lübeck von der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Prävention der GPA entsprechen die Empfehlungen der Leitlinie dem aktuellen Wissenstand und sind gut belegt. Dagegen gibt es keinerlei Belege dafür, dass Mütter in der Schwangerschaft oder Stillzeit zur Vorbeugung von Allergien bei ihren Kindern bestimmte Diäten einhalten müssen. Restriktive Diäten können zu einem Mangel an Nährstoffen, Vitaminen oder Mineralien führen, warnte Kopp. Diäten können für Kinder gefährlich werden und sollten nur bei nachgewiesener Nahrungsmittelallergie in enger Absprache mit einem Kinderallergologen durchgeführt werden.

Preiswürdige Forschung über Allergie vorbeugende Säuglingsnahrung

Dagegen kann für Risikokinder, die nicht über vier Monate gestillt werden können, so genannte hypoallergene (HA) Säuglingsnahrung einen Beitrag zur Vermeidung von Allergien leisten. HA-Nahrung wird auf der Basis von Milchprodukten hergestellt, in denen die Eiweiße gespalten (hydrolysiert) sind und die somit nur eine geringe allergene Wirkung haben. Die Allergie vorbeugende Wirkung von HA-Nahrung konnte eindrucksvoll in der GINI-Studie (German Infant Nutritional Intervention Study) unter Federführung der Kinderallergologin Dr. Andrea von Berg vom Marienhospital aus Wesel nachgewiesen werden. Die Wissenschaftler um Dr. von Berg untersuchten im Rahmen der Studie zwischen 1995 und 1998 insgesamt 2.252 Neugeborene, die entweder gestillt wurden oder andere Nahrung erhielten. Im Vergleich zu Kindern, die Kuhmilch erhalten hatten, erkrankten mit HA-Nahrung ernährte Kinder deutlich seltener an Neurodermitis. Dr. Andrea von Berg erhält in diesem Jahr den Förderpreis Pädiatrische Allergologie der GPA. Sie hat umfassend über geeignete Säuglingsnahrung im Zusammenhang mit der Allergieprävention geforscht und damit maßgeblich zu unserem heutigen Kenntnisstand beigetragen, berichtete Professor Bufe in Hannover.

Sekundärprävention: Immuntherapie kann vor Asthma schützen

Die sekundäre Allergieprävention kann verhindern, dass Kinder, die bereits an Heuschnupfen leiden, auch an Asthma bronchial erkranken. Denn die allergische Überempfindlichkeit der Nasenschleimhaut kann sich auf die Schleimhaut der Bronchien ausbreiten. Werden dann die Allergie auslösenden Substanzen eingeatmet also zum Beispiel Pollen reagieren nicht mehr nur Nase und Augen, sondern auch die Bronchien. Ärzte bezeichnen dies als Etagenwechsel. Die Luftwege verkrampfen sich, ihre Schleimhaut schwillt an und produziert zähen Schleim. Die Folge sind Symptome wie Atemnot und Husten. Bei an Heuschnupfen erkrankten Kindern sollte ein Kinder­allergologe prüfen, ob eine spezifische Immuntherapie in Frage kommt. Diese ursächlich wirkende Behandlung kann allergischen Schnupfen dauerhaft bessern oder sogar heilen. Zudem wirkt die Immuntherapie vorbeugend gegen den Etagenwechsel zum Asthma bronchiale und kann weitere Sensibilisierungen verhindern, sagte der Bochumer Allergologen Bufe. Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) ist die einzige Möglichkeit, das Immunsystem wieder toleranter zu machen. Dazu erhalten die Kinder über meistens drei Jahre regelmäßige Injektionen mit dem Allergieauslöser (Allergen). Bei Kindern mit einer Allergie gegen Gräserpollen kann diese ursächliche Allergietherapie auch mit Hilfe von Tabletten erfolgen, die unter die Zunge gelegt werden. Eine große Europäische Studie, an der auch zahlreiche Kinderärzte aus Deutschland teilnehmen, untersucht zurzeit, ob die sublinguale Immuntherapie mit der Gräsertablette bei Kindern mit Heuschnupfen tatsächlich das Asthma verhindern kann.

Für weiterführende Informationen bietet das Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie und Asthma e.V. (pina e.V.) im Internet ein Online-Buch zur Allergieprävention: www.allergie-asthma-online.de

Literatur
[1] Schlaud M, Atzpodien K, Thierfelder W (2007): Allergische Erkrankungen: Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 50: 701-710

[2] Muche-Borowski C, Kopp M, Reese I, et al. Klinische Leitlinie: Allergieprävention. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(39): 625–31

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